Krieg

Und Arjuna sprach:
“Sie sind ja bereits alle tot und die Seele ist unsterblich”

Immer wieder erreichen mich zur Zeit Nachfragen ala “ich solle doch endlich mal was zum Krieg schreiben”.

Tja, was soll man da schon sagen. Der Weise schweigt in solchen Zeiten. Ist die Welt turbulent, drehen alle grad am Rad, haben sich die Weisen immer schon in ihre Höhlen zurückgezogen. Das ist bissl so wie bei schlechtem Wetter. Man geht ins Haus und wartet in Ruhe ab, bis sich die dunklen Wolken verziehen.

Und in dieser Zeit fühlt man. Fühlt man mit. Mit all jenen, die gerade leiden. Oder gar sterben. Die wüten. Die geopfert werden. Die in den Krieg geschickt werden.

In gewisser Sicht ist jeder Krieg absolut sinnlos. Und ich selbst sehe das ähnlich wie Ken Wilber, dass kriegerische Agressionen halt einem bestimmten Level auf der Evolutionsstufe des Bewusstseins entsprechen. Ohne hier Hierarchien zu sehen. Eher entspricht es einer Pyramide, an der eben Zivilisationen wachsen, entstehen und auch wieder vergehen.

Aber alles Filosofieren in solchen Zeiten sehe ich als entbehrlich an. Auch mein Eigenes.

Krieg ist Krieg. Und Krieg ist schrecklich. Egal ob da nun “jemand ist, der stirbt”, oder ob “alles die eine unendliche und unsterbliche Seele” ist.

Und dennoch: Aus spiritueller Sicht ist es Gott selbst, der Krieg führt (sehr gut ausgeführt schon in der eingangs zitierten Bhagavad Gita vor tausenden Jahren). Wer sonst, wenn nicht Gott? Seine/ihre Wege sind eben unergründlich. Eine alte Ordnung geht. Eine neue Ordnung wird kommen. So oder so. Mit oder ohne Krieg.

Zivilisationen kommen und gehen.
Kulturen kommen und gehen.
Völker kommen und gehen.
Staaten kommen und gehen.
Politische Systeme kommen und gehen.
Religionen kommen und gehen.
Glaubenssysteme kommen und gehen.
Menschen kommen und gehen.
Leben kommt und geht.

Du bleibst.

Und das ist da die einzige (“frohe”) Botschaft, die ich haben kann und teilen kann.


Partei ergreifen will ich nicht. Das tun ohnehin alle Anderen. Und sobald man involviert ist, und “wir im Westen” sind ALLE involviert (weil wir eben Teil der westlichen Zivilisation sind, die sich Putin nun als Gegner und Feind ausgewählt hat), sobald man also involviert ist, ist man ohnehin parteiisch und denkt von sich selbst und seiner eigenen (kollektiven) Position, sie sei die einzig wahre und richtige.

Rein Privat als Edgar geht es mir genauso. Natürlich denke ich auch so. Und natürlich ist mir unsere Zivilisation und unsere Kultur näher. Kann ich sie besser verstehen und nachvollziehen. Kann ich sie mir zu eigen machen, fühle ich mich in ihr geborgen und “zu Hause”.

Also völlig natürlich bin ich dadurch parteiisch. Muss ich sein. Bin ich auch bewusst. Das Hemd ist mir näher als die Hose. Und natürlich sehe ich hier Putin als Agressor. Und selbst wenn ich ihn verstehen könnte: Will ich ihn gar nicht verstehen. Denn er stellt sich letztlich gegen uns und “unsere Werte”. Und will eine neue “eurasische Zivilisation unter Russlands Führung” schaffen, als neo-konservativen und aus unserer Sicht “ultrarechten” Gegenpol zum Westen und seinen Werten. Als Absage an die Moderne. Muss man nicht mögen. Mag ich auch nicht. Aber dürfen tut er das halt trotzdem. Leider mit Gewalt. Weil dies eben auch die Mentalität und Sprache dieser “Ebene” ist.

Aber genau das ist eben Politik. Und auf diesem Planeten existieren eben unterschiedliche Zivilisationen in ihrem eigenen Tempo und mit ihren eigenen – relativen – Werten. Auch wenn manches im Krieg scheint, als wäre es Kindergarten, wo der Eine das Spielzeug des anderen kaputt macht “nur weil er es kann”. Kindisch, klar. Aber leider als Krieg zwischen Menschen mit unvorstellbar mächtigen Waffen eine riesige Katastrophe für die Menschheit. Und ja, wir müssen da irgendwann die Kurve kriegen. Bevor sie uns kriegt.

Dennoch: Richten möchte ich ihn (Putin) nicht. Es richtet sich ohnehin immer alles (von) selbst. Zum Bewerten braucht man einen Bezugspunkt. Und Bezugspunkte sind letztlich eben etwas relatives und nichts absolutes.

(Und im konkreten Fall gäbe es sonst auch einiges bei der Gegenseite zu richten. Und die, die fanatisch in den Krieg ziehen, weil sie “kämpfen wollen”, die gibt es ja auch. Wer ist man selbst, um es ihnen zu versagen? Leid tun mir die, die unschuldig zum Handkuss kommen: Zivilisten. Und auch all die jungen Soldaten, die nur Befehlen gehorchen (müssen)).

Also ja, sehr viel relatives Leid, wo man auch mitleiden und mitfühlen kann und muss und darf.

Aber als wirklich “Spiritueller”, dessen eigentlicher Bezugspunkt das Absolute ist, ist es meine Aufgabe, nicht einfach nur relative Politik zu kommentieren und meine relative und sehr menschliche Meinung zu äußern, sondern eben gerade in solchen Zeiten auch an das einzig Absolute zu erinnern:

Und das einzig Absolute in dem Fall ist das Eine. Dieses einzig Eine. Welches in mir zu finden ist. In Dir zu finden ist. In Putin zu finden ist. Und in jedem anderen zu finden ist. Nur ist dieses Absolute in uns allen einfach ewig still. Die Bewegung geschieht in der Peripherie. In der Show. Im “göttlichen Spiel”. Welches auch ein Drama sein kann und eine Tragödie. Die für den Einen dann mit “Sieg” endet, für den Anderen mit Niederlage oder gar Vernichtung.

Dennoch sind beide letztlich der-die-das selbe Selbst. So wie Löwe und Gazelle letztlich vom selben Selbst bewohnt werden.

Das Drama spielt sich aus. Scheinbar mit Gewinnern und Verlierern. Letztlich aber ohne Gewinner und ohne Verlierer. Da nur Schein. Empört darf man ja dennoch sein. Bin ich auch oft. Aber auch das letztlich nur Schein und Teil des Spieles, Teil von Maya, Teil von Leela, Teil des “cosmic jokes”. Auch als Tragödie.

Es kämpft nicht nur der Bruder gegen den Bruder.

Sondern das eine Selbst scheinbar gegen sich Selbst.

Und es hilft nichts, wenn nun das eine Selbst das andere selbe Selbst herablassend “Ego” nennt. Im selben Moment wird es selbst zum “Ego”.

Die Lösung? Ich hab keine. Es gibt keine.

Und im Individuellen: Atmen. Fühlen. Spüren. Die Angst. Die Verzweiflung. Die Trauer. Die Wut.

In den Krieg ziehen würde ich nicht. Dazu bin ich zu alt.

Und genau deshalb geht der Weise in seine Höhle und wartet auf besseres Wetter.

Das Alte stirbt. Das Neue wird geboren.
Und wenn wir viel Pech haben, stirbt alles.

Nur nicht das Eine.
Nur nicht das eine Ewige.

Facebook-Kommentare

Seit Juni 2018 ist hier das Kommentieren via Facebook möglich. Enjoy!